Das Jahr 2024 war für den deutschen Biomethanmarkt ein Jahr der Erneuerung und des strategischen Umdenkens, mit wichtigen Impulsen durch neue gesetzliche Regelungen. In unserem Marktrückblick beleuchten wir diese Entwicklungen.
- Das neue Gebäudeenergiegesetz trat in Kraft, welches Wärme aus Biomasse als pauschale Erfüllungsoption einführte
- Folgen der Überflutung des Biomethanmarktes mit gefälschten UER-Zertifikaten und vermeintlich nicht fortschrittlichen Biodiesel auf die THG-Quote
- Das BMUV (Bundesministerium für Umwelt) verabschiedet eine neue UERV (Upstream-Emission-Reduktions-Verordnung)
- Folgen der THG-Quotenkrise und Auslöser weiterer Unsicherheiten des Marktes vor allem durch Zahlungsschwierigkeiten bei Biomethanhandelsakteuren
- Ein neues BImSchG (Bundesimissionsschutzgesetz) wird vom BMUV verabschiedet
- Aufwind in der deutschen Biomethanproduktion
Ein neues Gebäudeenergiegesetz stärkt Biomethanmarkt
Zu Beginn des Jahres, am 1.1.2024 erschien das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) (20). Es markierte den Einstieg in die Wärmewende und setzte den Fokus auf das Heizen mit erneuerbaren Energien. Biomethan stellt eine besonders interessante Option dar, da es eine Nutzung von bestehender Infrastruktur und Heizungsanlagen ermöglicht. Außerdem gilt die Verwendung von Biomethan als „pauschale Erfüllungsoption“. Hauseigentümerinnen benötigen also keine individuelle rechnerische Nachweisführung. Diese Änderung verspricht einen langfristig soliden Absatzmarkt für Biomethan aus Abfall- und Reststoffen (1). Diese Substrate finden im Wärmesektor Verwendung, da sie einen Treibstoffwert von unter 21,6 g CO2/MJ haben. Es befreit das Biomethan vom BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz) (21).
Schätzungen der dena in Bezug auf das GEG
Das neue Gebäudeenergiegesetz markiert nicht nur einen wichtigen Schritt in der Energiewende. Es beeinflusst auch direkt den Biomethanmarkt, indem es neue Anreize für die Nutzung erneuerbarer Energien schafft. Diese gesetzliche Neuerung wird nach Schätzungen der dena, der EWI und des BMWK den Biomethanbedarf im Wärmesektor von dem derzeitigen Wert von 1 TWh bis 2040 auf mindestens 13 TWh anheben (2).
Gefälschte UER-Zertifikate und Fall der THG-Quote
Abbildung 2: Überfüllung der THG-Quote und Quotenpreis (Stellungnahme-Gutachten-SG2410100001.pdf)
Im THG-Quotenmarkt waren hingegen noch immer die Auswirkungen zu spüren. Einerseits der gefälschten Upstream-Emissions-Reduktion (UER)-Zertifikate sowie des falsch deklarierten Biodiesels aus Palmöl, was Mitte 2023 erstmals bestätigt wurde. Die ViGo Bioenergy schätzt, dass 50% der THG-Quote in auf falsch deklarierte Zertifikate zurückzuführen waren. Für 2024 bleibt die Zahl unbetitelt. Weitere Einflussfaktoren auf den Quotenpreis waren die zu langsame Erhöhung der Quote, steigende Elektromobilität, Ausweitung des Marktes ins Ausland zur Quotenerfüllung. Außerdem destabilisierte die vorhergegangene extreme Überfüllung der Quote. Von 3,4 Mio. t CO2eq im Jahr 2022 und 8,1 Mio. t CO2eq in 2023 und hielt die Nachfrage gering (19, 22).
Nach vielen Schuldzuweisungen und –Abstreitungen gab es doch einige neue Gesetze, welche die THG-Quote als seriöses Mittel reinstituieren sollten. So erschien am 14. August 2024 eine Durchführungsverordnung zu Antidumpingzöllen, stärkte die inländische Produktion und war ein Teil der Maßnahmen, die zur Erholung der THG-Quote beitrugen (7, 8, 9, 24).
Die neue UERV
Im Februar 2024 erschien der Referentenentwurf zur Novellierung der UERV. Diese würde eine zukünftige Anrechenbarkeit von UER-Projekten beenden, was aber dem bereits entstandenen Schaden durch die in Verkehr gebrachten Zertifikate nicht adressierte. Während die Quote also stetig weiter gefallen ist, auf weniger als die Hälfte seit Bekanntwerden der Betrugsfälle, war es weiterhin möglich, die UER-Zertifikate geltend zu machen und sogar auf 2025 zu übertragen. Der Schaden in der Erneuerbare-Energien-Branche wurde auf 4,4 Milliarden Euro geschätzt. Laut der Initiative Klimabetrug stoppen sei das Geld der Industrie für fossile Energieträger zugutegekommen.
Weiter an Aufmerksamkeit gewann das Thema im Mai, als im ZDF „frontal“-Bericht vorgetäuschte UER-Projekte aufgedeckt wurden. Das zog vermehrte Stellungnahmen aus dem politischen Berlin nach sich. So räumte Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Juli ein, dass es wohl mangelnde Kontrolle gegeben hatte. Laut Polizei ist die Einschaltung externer Prüfstellen rechtlich schwierig. Anwälte vermuten, dass Parallelen zu Steuerhinterziehung gezogen werden können. Das kann zu Rücknahmefristen von bis zu 10 Jahren bedeuten. Laut einem Rechtsanwalt Altenschmidt für Handels- und Gesellschaftsrecht kann die UERV individuell ausgelegt werden. Man kann nicht definitiv von Betrügen sprechen, die letzte Entscheidungsgewalt hat außerdem weder die UBA noch das BMUV, sondern das Bundesverwaltungsgericht (4).
‘Initiative Klimabetrug Stoppen’ für den Biomethanmarkt
Einige Hauptakteure aus der Erneuerbaren-Energien-Branche gründeten daraufhin am 4. September 2024 die „Initiative Klimabetrug Stoppen“ und übten medialen Druck auf die Politik aus. Der Präsident der UBA gab dann Mitte September die Rückabwicklung von 45 UER-Projekten bekannt. Ein klares Zeichen der Aufarbeitung, waren es laut einer Pressemeldung eine Woche davor nur 8 Projekte gewesen. Auch die Novelle der 38. BImSchV wurde dahingehend angepasst, dass eine Übertragung der Überfüllung der THG-Quote für 2025 und 2026 ausgesetzt werden sollte. Der entstandene Schaden betrifft allerdings nicht nur die Erneuerbare-Energien Branche, sondern auch die Bundesrepublik (5, 6).
Sollten sich diese Vorwürfe in großem Umfang bewahrheiten, könnte Deutschland durch die EU-Lastenteilungsverordnung (ESR) höhere finanzielle Aufwendungen drohen. Bereits jetzt wird geschätzt, dass mögliche Strafzahlungen für unzureichende Emissionsreduktionen im Verkehrssektor bis 2030 rund 16,2 Milliarden Euro betragen könnten. Die Quotenverpflichteten Unternehmen haben jedoch bislang keine Konsequenzen zu befürchten, genießen doch die Zertifikate Vertrauensschutz im Biomethanmarkt (3).
Auswirkungen der THG-Quotenkrise und Insolvenz in Eigenverwaltung eines Marktführers
Die Landwärme GmbH, ein bedeutender Anbieter von Biomethan für Energieversorgungsunternehmen, Stadtwerke und Industriebetriebe, geriet 2024 in finanzielle Schwierigkeiten. Am 13. August ordnete das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eine vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung an. Diese wurde offiziell eröffnet am 1. November 2024. Auch die Tochtergesellschaft Landwärme Service GmbH stellte einen Insolvenzantrag, nachdem die THE am 15. Oktober ihre Bilanzkreise gekündigt hatte. Solche Kündigungen stellen eine Ausnahmesituation dar und gelten als letzte Maßnahme zur Risikominimierung seitens der THE.(10).
Die Landwärme GmbH führte ihre Insolvenz vor allem auf sinkende Einnahmen im THG-Quotenhandel zurück. Der VKU berichtet zudem, dass gut 100 Mitgliedsunternehmen, vor allem Stadtwerke, noch offene Forderungen gegenüber Landwärme haben (11). Kunden befürchteten Verzögerungen oder Probleme bei der fristgerechten Entwertung von Zertifikaten, was insbesondere für den EEG-Förderungsnachweis kritisch ist. Im Nachgang sank der Absatz für Biomethan aus Wirtschaftsdüngern, wegen dem Quotenverfall so stark, dass es in Einzelfällen schon in den Wärmemarkt verkauft und abgesetzt wurde. Das verunsicherte den ohnehin instabilen Biomethanmarkt weiter, vielen Handelspartnern war unklar, welche Lieferverträge bestehen bleiben würden.
Gesetzesanpassung zur Stabilisierung des Quotenmarktes durch BImSchG im Biomethanmarkt
Mit dem erklärten Ziel, die THG-Quote wieder zu einem relevanten Instrument der Treibhausgaseinsparung und des Klimaschutzes zu machen, kam dann die nächste Gesetznovelle.
Am 20. September 2024 veröffentlichte das BMUV den Referentenentwurf (RefE) der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen (38. BImSchV). Diese Novelle brachte zum Ende des Jahres wieder etwas Leben in den Markt, auch wenn sie von einigen Interessenvertretern der Biogasbranche wegen Kurzsichtigkeit kritisiert wurde. Der Bundesverband Bioenergie e.V. schrieb in einer Stellungnahme, dass Produzenten von Nachhaltigen Kraftstoffen nicht auf den Umsatz für Zertifikate aus 2024 verzichten könnten, was viele dazu bewegte, sub-par Preise anzunehmen, während finanzstarke Quotenverpflichtete Unternehmen jetzt günstig Quotenerfüllungsoptionen kaufen können, was den Quotenpreis 2027 erneut drücken könnte. Dieser war bereits am Ende des Jahres 2024 für das Erfüllungsjahr 2024 weiter gefallen, da die meisten Käufer durch ausgesetzte Übertragung kein Interesse hatten und Produzenten aber für unwirtschaftliche Preise verkauft haben, um den Schaden zu begrenzen.
Die zentrale Änderung im RefE war die Aussetzung der Quotenübertragung für 2025 und 2026. Diese Änderung war eine Reaktion darauf, dass die THG-Quote stark im Wert gesunken war, war sie noch am Anfang des Jahres um die 160€, so fiel sie im Oktober auf bis zu 50€ pro tCO2eq (16). Schon die Nachricht der erste Entwurf dieser Gesetzesänderung ließ den Biomethanmarkt aufatmen, folglich stieg der Preis für Kraftstofffähiges Biomethan aus Gülle/Mist mit einem THG-Wert von –100 gCO2/MJ von 9,5 ct/kWh im September auf 12,5 ct/kWh im November.
Das inländische Produktionsvolumen stieg erstmals wieder merklich
Laut der dena wurden bis September 2024 sieben Anlagen mit insgesamt über 2.500 Nm³ pro Stunde Aufbereitungskapazität in Betrieb genommen. Also schon bis dahin bereits mehr Anlagen als in den drei vorhergehenden Jahren zusammen (15). Diese Beobachtungen werden unterstützt vom Marktstammdaten Register. Es verzeichnet für das Gesamtjahr 2024 einen Zuwachs von 3.125 Nm³, welcher von 12 Anlagen ins Netz eingespeist wird. Das entspricht einem Ausbau von ca. 5%. Der Zuwachs wird für die kommenden Jahre konstant bei 10 bis 15 Neuanlagen pro Jahr vermutet, so die dena. Im Durchschnitt beträgt die Anlagengröße 2,8 MW, was eine zunehmende Konsolidierung des Marktes und der Produzenten zu großen Unternehmenszusammenschlüssen spiegelt. Das ist ein Zeichen eines reifen Marktes. Die eingesetzten Substrate in den beiden größten Anlagen sind Gülle und Mist. Das macht das erzeugte Biomethan interessant für den Kraftstoffmarkt (12, 13).
Positive Zeichen für den Markt
Die Neubaubemühungen weisen, trotz marktseitiger Schwierigkeiten, auf ein stabiles Investitionsinteresse und einen positiven Ausblick für die nächsten Jahre hin. Die European Biogas Association (EBA) zeigt, dass Deutschland trotz gestiegenem Zuwachs hinter den EU-Mitgliedsstaaten hinterherhinkt. Sie verzeichnet einen stetigen Ausbau von Biogas Produktionsvolumen von um die 20% Prozent. Aber selbst dieser wurde schon im ersten Quartal überboten, da in EU-27 6,4 Milliarden Kubikmeter produziert wurden. Im Vergleich zum Vorjahr stellt es eine Steigerung von mehr als 30% dar (14). Das Aufholen des europäischen Auslandes im Biomethanproduktionsvolumen verspricht eine Diversifizierung und damit Stabilisierung des Biomethanmarktes.
Bronnen
(1)Gesetz zum Erneuerbaren Heizen | Bundesregierung
(2)Präsentation aus dem Biogaspartner Onlinetreffen vom 28.01.202(3)State of European transport | Transport & Environment
(4)Deutscher Bundestag – UER-Nachweise: Expertenstreit um falsche Klima-Zertifikate (5)UBA schaltet Zertifikate bei acht UER-Projekten nicht frei | Umweltbundesamt
(6)Die UER-Historie: Über ein Jahr Betrugsskandal und kein Ende in Sicht
(7)Palmöl-Verbot: Falscher Biodiesel auf deutschem Markt? | tagesschau.de
(8)BMUV: BMUV setzt UER-Anrechnungssystem nach Verdachtsfällen aus | Meldung
(9)Umweltbundesamt weist Vorwurf der Untätigkeit zurück | Umweltbundesamt
(10)THE kündigt Landwärme-Bilanzkreise
(11)Der Insolvenzantrag der Landwärme GmbH löst Unsicherheiten bei den Stadtwerken ()aus.: VKU
(12)EE-Statistik MaStR – Dezember 2024 (Stand 13.01.2025).xlsx
(13)Aktuelle Einheitenübersicht | MaStR
(14)Decoding Biogases 2025,
(15)ANALYSE_Branchenbarometer_Biomethan_2024 (6).pdf
(16)THG-Quote Preisentwicklung 2025 | VERIVOX
(17)Burggas GmbH & Co. KG, Errichtung und Betrieb einer Aufbereitungsanlage für Biogas – UVP
(18)2861579.pdf
(19) Hintergrundpapier_Quote_2023.pdf
(20) GEG – Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden*
(21) BEHG – Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen
(22) Quotenhandel mit ausländischem Biomethan zulässig – Becker Büttner Held
(23) Stellungnahme-Gutachten-SG2410100001.pdf
(24) Durchführungsverordnung (EU) 2024/2163 der Kommission vom 14 August 2024 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in der Volksrepublik China – Publications Office of the EU